„Auf deiner Gedenkseite habe ich ein altes Foto von dir in jungen Jahren entdeckt. Das kannte ich noch gar nicht – dein verschmitztes Lächeln hat sich nicht verändert.“

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Ruben Lienenlükegestorben am 12. Juli 2015

Beitrag

Liebe Sonja,
lieber Simon,
lieber Joscho,
lieber Ruben,
kurz: liebe Familie Lienenlüke,

heute denke ich ganz schrecklich fest an Euch.

Wisst Ihr, immer wenn sich die Sommerferien nähern, gibt es urplötzlich diesen einen Moment, wo ich kurz - aber heftig - zusammenzucke und mich zurückerinnere an die Autofahrt 2015 nach Bielefeld. Die es SO niemals hätte geben dürfen.

Lasse bekam genau am Tag von Rubens Verabschiedung sein erstes Zeugnis, von unterwegs aus ein kurzes Telefonat und er hat stolz berichtet. Und ich? Habe Rotz und Wasser geheult (ohne es ihn merken zu lassen, puuuh, schwierig) und permanent gedacht, dass man es doch keinen einzigen Tag auf der Welt ohne seinen Sohn aushalten kann. Das das gar nicht geht. Das schafft nicht einmal Superman. Das ist nun ganze 6 Jahre her. In Worten "sechs" Jahre.

Und noch immer fällt mir kein Spruch, kein Zitat, rein überhaupt gar nix ein, was sich "richtig" anfühlt, wenn ich hier vorbeischaue und eine (grüne! wichtig!) virtuelle Kerze anzünde. Drum schreib ich einfach drauf los, wahrscheinlich ist das auch nach 6 Jahren immer noch besser als zu schweigen. Und dann denke ich "jedes einzelne Wort, das ich schreibe, muss Euch doch wehtun."

Ruben käme jetzt wie Lasse in die achte Klasse. Würde ohne Ende zocken, die Lehrer verfluchen, dreckige Socken überall liegen lassen und glaubt mir: Ihr wärt ihm echt peinlich. Ich würde es Euch SO SEHR wünschen!

Ruben. Für immer sieben. Auf dem Papier - denn in Gedanken, in Eurer Vorstellung, ist er jetzt 13.

Mensch, Ruben, hast Du es von da oben gesehen? Diesen ganzen Wahnsinn in den letzten Monaten? Die Masken, das Homeschooling, die Hamsterkäufe? Nie hätte ich gedacht, DAS mal zu sagen, aber ich war froh, dass sich Jungs in Deinem Alter (nicht die Papier-Sieben, die 13!) stundenlang mit Computerspielen beschäftigen und austauschen können. Und so nicht vereinsamen durch diesen Scheißvirus.

Lasse fährt jetzt seit ein paar Wochen Mofa. Schwarz. Mit Helm. Nur ausgesuchte Feldwege. Von allen Seiten durfte ich mir anhören: "Das erlaubst du? Wenn ihm was passiert?" Tja, dann wäre das das Allerschlimmste. Aber weisst Du, was ich in solchen Situationen automatisch denke? Kann ich nix gegen machen, passiert, ist ein Reflex, ich denke: Ich kann NOCH so gut auf ihn aufpassen. Tag und Nacht. Rund um die Uhr. Ob mit oder ohne Mofa. Und trotzdem kann etwas passieren. Ich weiss nämlich sehr genau, dass Deine Eltern jeden Moment Deines Lebens auf Dich aufgepasst haben.

Und dann lasse ich ihn Mofa fahren und glücklich und frei sein.

Ach ja, und auch heute war wieder Verlass: Sonne satt, den ganzen Tag - und dann kam er doch, der Regen. Wie jedes Jahr am 12. Juli - seitdem ich darauf achte. Ach, wäre mir das dösige Wetter doch egal, wäre doch dieser Tag für Euch einer wie jeder andere.

Ihr sollt wissen, dass ich auch in 50 Jahren noch den Himmel am 12. Juli betrachten werde, jawoll.

Sieben Jahre. Auf dem Papier. Und bis in alle Ewigkeit im Herzen.
Dieses Jahr haben wir viel Übung in virtuellen Umarmungen. Ich drück Euch trotzdem so viel fester und inniger. Und bin immer für Euch da!

Eure Steffi mit Dirk, Lasse und Freda, die Euch alle sehr gern jederzeit wieder zu Kakaoschnecken und Kaffee und anschließendem Biergartenbesuch willkommen heißen!